Die Chronik des Kinder- und Jugendheim “Waldesruh”



1927 wurde das ursprüngliche Haus „Waldesruh“ von Familie Wilhelm Tiefenbach auf dem ehemaligen Gelände der so genannten „Fuhrsmühle“ Am Unterbach erbaut.
Nach Fertigstellung des Neubaues eröffneten sie eine „Hotel Garni“ Pension, die auch schon den Namen „Waldesruh“ erhielt.
Sie konnten auf eine lange Liste von Gästen aus ganz Deutschland zurückblicken, die sich gern im Hause „Waldesruh“ aufhielten und über Jahre hinaus dem Haus die Treue hielten.

1939 bis 1951, während der Wirren des zweiten Weltkrieges und in den ersten Jahren der Nachkriegszeit war das Haus militärisch beschlagnahmt. Familie Tiefenbach / Lichius mussten zeitweise das Haus „zwangsräumen“ und anderen Orts wohnen. Privat und betrieblich konnte das Haus während dieser Zeit nicht mehr genutzt werden.

Im Januar 1952 nach der Freigabe durch die Militärbehörden konnte die Familie Tiefenbach / Lichius die „Waldesruh“ wieder ganz in Besitz nehmen.

Nun war die Überlegung:

„Was wird jetzt mit diesem großen Haus, mitten in herrlicher Waldlage und gesunder
Luft, aber völlig überholungsbedürftig und einer ungewissen Zukunft nur mit einer Fülle
neuer Ideen und dem Wunsch etwas positives aufzubauen?“

Es bedurfte großer Eigeninitiative, viel Enthusiasmus in eine ungewisse Zukunft, eines großen finanziellen Risikos und privater Verschuldung verbunden mit einer gehörigen Portion Zivilcourage und nur geringer Unterstützung seitens der Behörden für den Neuanfang.

Am 2. Mai 1952 – allen „Unkenrufen“ zum Trotz – eröffnete das Haus „Waldesruh“ erneut seine Tore.
Zusammen mit Herrn Dr. med. Richard Hennes, einem Facharzt aus Bad Ems, gründete Frau Else Lichius, das Kindererholungsheim: „Kindersanatorium Waldesruh“ in Dausenau für asthma- und bronchitiskranke Kinder, die aus vielen Teilen unseres Landes für 6 Wochen anreisten.
Kinder jeden Alters kamen durch die Versicherungsanstalten, Krankenkassen, Wohlfahrtsverbände und durch den Senat der Stadt Berlin zu uns, um sich zu erholen und ein wenig ihrem teils recht tristen Alltag zu entfliehen.
In den Sommermonaten lebten oft bis zu 100 Kindern in der „Waldesruh“.
Für alle war der Tag ausgefüllt mit Untersuchungen, medizinischen Anwendungen, Inhalationen mit „Emser Sole“, Krankengymnastik und vor allem mit Spielen und Spazieren gehen.

Viele Kinder mussten wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes auch längerfristig bei uns bleiben und sogar unsere Schule in Dausenau besuchen.
So wurden über Jahre zahlreiche Bindungen und Kontakte geknüpft und gepflegt, die zum Teil bis Heute noch bestehen.
Oft besuchen uns noch „ehemalige Kurkinder“ und wollen mal schauen, wie es uns und der „Waldesruh“ ergangen ist bzw. wollen ihren Kindern zeigen wo sie einst zur Kur gewesen sind.

Mitte der 60ziger Jahre trat unser Heimatjugendamt mit der Bitte an uns heran, den Status unseres Hauses etwas zu ändern, da immer mehr Kinder längerfristig im Rahmen der Kur bei uns blieben. Man dachte daran, das wir Kinder auf Dauer aufnehmen sollten, die aufgrund familiärer Schwierigkeiten nicht mehr in ihrer Familie leben konnten und hier bei uns unter fachpädagogischer Anleitung ein neues Zuhause finden sollten.

In den nächsten Jahren änderte sich unser Status unter Mitwirkung der Heimaufsicht des Landesjugendamtes in Mainz mehr und mehr und aus dem Sanatorium wurde offiziell ein staatlich anerkanntes und gemeinnütziges Kinder- und Jugendheim. Alle Kinder und Jugendlichen wurden nunmehr durch staatliche Einrichtungen (Jugendämter) im Rahmen des alten Jugendhilferechtes zur Erziehung und Pflege in der „Waldesruh“ untergebracht. Bei uns sollten sie Aufnahme, Fürsorge und vor allem ein neues „Zuhause“ erfahren können.

1984 setzte sich die Gründerin der Einrichtung Frau Else Lichius zur Ruhe und eine neue Generation der Familie Lichius übernahm die Führung und Leitung der „Waldesruh“ mit gleicher Zielsetzung. Geändert hat sich nur ein kleiner Zusatz in unserem Namen, offiziell heißen wir jetzt „Sozialpädagogisches Haus „Waldesruh“ Dausenau GmbH, aber den für uns charakteristischen Name „Waldesruh“ behielten wir bei.

Im Laufe der letzten Jahre mit vielen gesellschaftlichen Veränderungen, mit neuen Erkenntnissen und Anforderungen und einer neuen Gesetzesgrundlage (KJHG), sowohl an die pädagogische Unterstützungspflicht der Jugendämter, als auch an die Jugendhilfeeinrichtungen, sprich uns, mussten auch wir uns neuen Herausforderungen stellen und unser Angebotsspektrum erweitern (z.B. Eröffnung einer Tagesgruppe 1999).

Durch die Vielfalt unseres Aufgabengebietes, die gute Zusammenarbeit mit den verschiedensten Institutionen und die Einbindung der Öffentlichkeit in unsere Erziehungsarbeit konnten wir im weiten Umkreis viele wertvolle und hilfreiche Verbindungen knüpfen und Kontakte pflegen , die uns bis heute in unserer Arbeit unterstützen und sie mittragen.

Seit Bestehen der „Waldesruh“ als neues „Zuhause“ sind viele große und kleine Kinder aufgenommen worden, die wir zum Teil bis zu ihrem Erwachsensein begleiteten und betreuten, manche nur über eine kurze Strecke bis zur Vermittlung in eine Pflege- oder Adoptionsfamilie und andere wiederum bis zur ihrer Rückkehr in ihre Herkunftsfamilie.
Doch viele sind in oder um Dausenau „hängen geblieben“ und haben hier ihren Lebensschwerpunkt gefunden.
Zwischenzeitlich gründeten schon etliche von „unseren“ Kindern selbst eine Familie mit eigenen Kindern, kommen uns regelmäßig besuchen und zeigen ihren „Sprösslingen“ wo und wie sie groß geworden sind.
Oft wird dabei in Erinnerungen geschwelgt und vielerlei „Missgeschicke“ nur allzu herzlich belacht.

Viele Namen und Gesichter haben sich unvergesslich bei uns eingeprägt, manche Anekdoten und Begebenheiten sind „Geschichte“ geworden. So verbrachten wir gemeinsam, Erzieher und Kinder, einen Urlaub im sonnigen Süden am Strand. Man saß gemeinsam im Sand und „strotzte“ mit seiner Sonnenbräune. Eine 4 Jährige saß auf dem Schoß der Erzieherin, hielt ihren Arm gegen den der Erzieherin und stellte lapidar fest : „Ich bin braun, aber Du bist „pickelbraun“!“ mit Blick auf die vielen Sommersprossen. Seitdem heißt es im Haus immer wieder zur Sommerzeit : „Alle Pickelbraunen sofort zum Eincremen und ab unter den Sonnenschirm!“
Zuweilen sitzen wir zusammen und palavern, dass wir irgendwann einmal, wenn wir viel Zeit und nichts mehr besseres zu tun haben, uns wieder zusammenfinden und alles niederschreiben, was wir im Laufe der Zeit so erlebt haben, und dann verfilmen sollten. Das gäbe ein Riesen-Gaudi und ein abendfüllender Film.